Eigentlich sollte dieser Artikel schon früher erscheinen, denn insbesondere vor Weihnachten sind Menschen für herzerwärmende Geschichten zu haben, wie 2015 der Werbespot #heimkommen von Edeka eindringlich bewiesen hat. Oder wär hätte gedacht, dass aus Einsamkeit und Trauer ein viraler Hit entstehen kann?! Ein Tabubruch, mit dem die Macher des Spots eine Aufmerksamkeit erzielt haben, von der wir im Personalmarketing nur träumen können. Nun soll es hier aber nicht um die Übertragbarkeit auf die Personalwerbung gehen – auch wenn uns mehr Mut und Provokation gut tun würde (hierzu empfehle ich Martin Gaedt und sein Buch Rock Your Idea). Auch über das mögliche Aussterben des Recruiters im Zuge der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz möchte ich hier nicht philosophieren, dazu haben andere Autoren bereits ausführlich geschrieben (zum Beispiel im Softgarden Blog oder auf gruenderszene.de).
Mir geht es um den Aspekt des Alleinseins, den der Spot aufgreift. Denn einsam fühlen sich auch manche RecruiterInnen, die in kleinen Organisationen als Allrounder und Einzelkämpfer die Personalgewinnung wuppen. Die Stellen haben den Reiz vielfältiger Aufgaben und eines großen Gestaltungsspielraums, sind aber genauso häufig mit (zu) großen Erwartungen und viel Arbeit verbunden: Neben den 15 offenen Positionen, die besetzt werden müssen, soll parallel eine Employer Branding Strategie erarbeitet und, ach ja, eine neue Bewerbermanagement-Software eingeführt werden. Ich selbst bin nach meinem Abschluss an der Uni auf einer derartigen Position gestartet.
Kommt dir das bekannt vor? Hier also 10 Tipps und Empfehlungen gegen die Einsamkeit und eine starke Positionierung von RecruiterInnen in Unternehmen:
- Rückendeckung von ganz oben:
Schon bevor eine Stelle für die Personalgewinnung geschaffen wird, muss klar sein, dass diese Aufgabe nicht im stillen Kämmerlein gestemmt werden kann. Wie schon in meinem Beitrag „Best-of: Soft Skills eines Employer Branding Managers“ beschrieben, bedarf es dem Rückhalt und der dauerhaften Unterstützung seitens der Unternehmensleitung sowie anderer Schlüsselpositionen im Unternehmen.
- Stellenbeschreibung als Basis:
Es ist absolut sinnvoll für die neue Position eine detaillierte und ehrliche (!) Stellenbeschreibung zu erstellen. Zum einen dient sie als wertvolle Grundlage für eine attraktiv gestaltete Stellenanzeige, die für die meisten KandidatInnen der erste Kontaktpunkt mit dem Unternehmen sein wird. Zum anderen ermöglicht sie sowohl dem Unternehmen als auch den KandidatInnen einen frühzeitigen Abgleich mit den Erwartungen und den erforderlichen Kompetenzen.
- Willkommen ab dem ersten Tag:
Schon während des Einstellungsprozesses und spätestens mit dem ersten Arbeitstag muss der neue Kollege bzw. die neue Kollegin das Gefühl haben, wirklich willkommen zu sein. Wichtige Maßnahmen für ein gelingendes Onboarding habe ich in meinem Beitrag „Neues wagen: Laufen lernen und laufen lassen“ zusammengefasst. Eine strukturierte Einarbeitung sollte auf jeden Fall Stationen in den Fachbereichen mit den größten Personalbedarfen sowie in der Öffentlichkeitarbeit, dem Marketing und der IT umfassen.
- Regelmäßiger Austausch:
Auf Grundlage einer guten Einarbeitung fällt es anschließend viel leichter, sich für bestimmte Themen und Projekte, wie zum Bespiel die Einführung eines Bewerbermanagements, regelmäßig bereichsübergreifend zusammen zu setzen: Persönlich und im Austausch miteinander, anstatt übereinander zu reden, vermeidet viel Konfliktpotential und Frust. Und, es muss ja nicht immer das formelle Meeting sein, auch bei einem gemeinsamen Lunch kann man sich wunderbar austauschen.
- PR für HR:
Seit meiner Abschlussarbeit „Das Werben um Talente. Employer Branding als Handlungsfeld der PR?“ ist DAS mein Thema! Und während ich in meinem Blogbeitrag „Rock on: Bühne frei für Personaler_innen – Ideen für mehr Sichtbarkeit“ viele Ideen für mehr Sichtbarkeit außerhalb des Unternehmens geliefert habe, ist es mindestens genauso wichtig, intern sichtbar zu sein. Ein regelmäßiges Reporting an die Geschäftsführung ist meistens Pflicht, aber auch die Fachbereiche freuen sich, einen Einblick in unsere Arbeit zu bekommen: Warum daher nicht regelmäßig an Meetings vor Ort teilnehmen oder einen Newsletter mit Zahlen, Erfolgsgeschichten und allgemeinen Recruiting-Trends aufsetzen? Ein tolles Angebot ist zudem, Kolleginnen und Kollegen zur Hospitation einzuladen, sie zu Verhandlungen mit Dienstleistern mitzunehmen oder den Willkommenstag – sofern vorhanden – mit einem Block zum Thema „Personalgewinnung“ mit zu gestalten.
- Wissen teilen:
Erfolgreiche Personalgewinnung hängt nicht an einer Person, denn spätestens seit der Diskussion um die sogenannte Candidate Experience wissen wir, dass jeder Kontaktpunkt eines Kandidaten mit dem Unternehmen zur Präferenzbildung beiträgt. Hierauf müssen alle eingeschworen werden. Warum daher nicht ein Inhouse-Seminar dazu konzipieren und allen interessierten Kolleginnen und Kollegen anbieten. Auch die Themen Active Sourcing, Direktansprache und Personal Branding, die immer stärker von den Führungskräften direkt übernommen werden müssen, lassen sich prima in einem internen Workshop vermitteln.
- Veränderungsbereitschaft vorleben:
Für einige Unternehmen mag die Einstellung eines Recruiters bereits ein großer Change sein, aber spätestens wenn dieser dann seine Arbeit gewissenhaft aufnimmt, sich intensiv mit den Arbeitgebereigenschaften beschäftigt, Strukturen und Prozesse hinterfragt, wird das gesamte Unternehmen durchgerüttelt und Change-Prozesse angestoßen werden – komme was wolle. Veränderungsbereitschaft ist daher essentiell, und insbesondere die Geschäftsführung muss hier mit gutem Beispiel vorangehen.
- Priorisieren und delegieren:
Nicht selten hat ein Unternehmen die Einstellung eines Recruiters solange hinausgezögert, bis es wirklich nicht mehr geht. Dementsprechend liegt mit dem ersten Arbeitstag bereits ziemlich viel Arbeit auf dem Tisch. Auch hier sei noch mal an eine offene Kommunikation über Erwartungen appelliert. Zudem hat sich bewährt, frühzeitig gemeinsam mit der Unternehmensleitung Aufgaben und Projekte zu priorisieren und Ziele zu setzen: Was sind die dringendsten Aufgaben in diesem Jahr? Wo lassen sich bereits mit kleinen Schritten im Arbeitsalltag, zum Beispiel in der Bewerberkommunikation, große Veränderungen in der Candidate Experience erzielen? Welche Aufgaben lassen sich an Dienstleister abgeben, zum Beispiel Google-Advertising, Retargeting oder Multi-Channel-Posting? Denn mit der immer schnelleren Entwicklung der Kommunikationsmedien und -tools, ist es kaum möglich, in allen Themen Experte zu sein. Spezialisierte Dienstleister können das viel besser leisten und sollten als Partner die eigenen Stärken ergänzen.
- Geduld übt sich:
Ja es gibt viel zu tun, aber nicht jeder Trend muss mitgegangen werden. Im Sinne eines nachhaltig wirkenden Employer Branding muss vielmehr überlegt werden, was zum Unternehmen und den Rahmenbedingungen passt. Employer Branding ist eine strategische Aufgabe. Es bedarf einer gründlichen Analyse und viel Selbstreflexion seitens des Unternehmens, um eine Brand zu schaffen, die authentisch und ausreichend differenzierend zugleich ist. Das kostet nun mal Zeit.
- Netzwerk, Netzwerk, Netzwerk
Umso einsamer die Position im Unternehmen, umso wichtiger ein starkes externes Netzwerk. Bei XING, Facebook oder Meetup.com gibt es zahlreiche Gruppen oder Stammtische zum Austausch mit Gleichgesinnten – virtuell oder persönlich. Zudem gibt es 2019 wieder zahlreiche Veranstaltungsformate, wie das HR BarCamp, die TALENTpro oder die Recruiting Convent (eine ausführliche Liste der Veranstaltungen findest du im Searchtalent Blog). Auch ich bin hier und da dabei und freue mich auf den Austausch und das Kennenlernen mit vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen.
Bei #heimkommen sitzen schließlich alle fröhlich und gesellig zusammen, was ich mir auch für die Recruiterinnen und Recruiter in Unternehmen wünsche. Denn mit Spaß, Freude und Humor arbeitet es sich wesentlich leichter, kreativer und effektiver. In diesem Sinne #bettertogether #2019
Wer noch mehr spannende Insights über Recruiter und Recruiterinnen erfahren möchte, dem sei noch die akutelle Recruiter Experience Studie von meta HR und stellenanzeigen.de ans Herz gelegt.