„Mama, ich bin ein Einhorn!“ Von meinen zwei Töchtern kenne ich den Trend um glitzernde Einhörner nur zu gut – glücklicherweise rollt demnächst ja schon der nächste Hype durch unser Kinderzimmer. Doch, mir begegnet das Einhorn mittlerweile auch im Job! Wer bei Twitter nach #WOLicorn sucht, weiß, was ich meine. Das Einhorn ist das Maskottchen einer Bewegung, die „Working Out Loud“ oder kurz WOL praktiziert. Schon lange steht auf meiner Liste zur persönlichen Weiterentwicklung die Teilnahme an einem dieser WOL-Circles. Leider ist es dazu bisher noch nicht gekommen. Nun hat eine neue Initiative erneut meine Aufmerksamkeit erregt: Working Out Loud goes Healthcare! Eine super Gelegenheit, mich mit den vier Initiatorinnen zum Interview zu verabreden und euch Einblicke in ihr spannendes Vorhaben zu geben. Los geht’s:
Hallo zusammen, bitte stellt euch meinen LeserInnen doch kurz vor:
Wir sind Constanze Zeller, Martina Koch, Bettina Jung und Katharina Nolden. Wir arbeiten in unterschiedlichen Funktionen in der Gesundheitsbranche. Constanze arbeitet in der Unternehmenskommunikation eines kommunalen Krankenhauses und betreibt außerdem ihren Blog zukunftsherz.de. Martina ist in verschiedenen Häusern eines saarländischen Krankenhaus-Konzerns seit 2010 für den Aufbau der „Servicestelle Familie & Beruf“ verantwortlich und entwickelt diese stetig mit Herzblut weiter. Sie ist eine ausgeprägte Netzwerkarchitektin. Bettina ist seit Jahren in der Gesundheitsbranche tätig, aktuell als Change Managerin im KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation und weiterhin als systemischer Coach tätig. Katharina ist Expertin für digitales Personalmarketing in einem kommunalen Krankenhaus-Konzern und außerdem als Arbeitsweltgestalterin freiberuflich tätig.
Bettina, was waren deine Gedanken als du die Idee hattest, John Stepper anzusprechen, WOL für die Gesundheitsbranche weiter zu entwickeln?
Ich hatte von WOL gehört und kurzerhand meinen ersten Circle organisiert. Die Erfahrung, dass es möglich ist, im Berufsalltag durch Reflektieren, großzügiges Teilen von Wissen, zielorientiertes Pflegen von Beziehungen (pflegen ist hier im besten Sinne gemeint) eine Veränderung zu bewirken, ließ mich John Stepper anschreiben: „Die Circle sind großartig! UND – für Gesundheitsberufe müssen sie kürzer, analoger und organisatorisch einfacher zu bewerkstelligen sein.“ „You are right“, war seine Antwort, „Machst du mit, sie anzupassen?“
Dann nahmen die Dinge ihren Lauf. Ich schrieb erste Beispiele, wir überdachten das Format, er schrieb über WOL Healthcare in seinem Blog. Darauf passierte das, was passiert, wenn man seine Arbeit sichtbar macht und sich vernetzt. Constanze Zeller kam dazu, bald danach Katharina Nolden und Martina Koch. Zu fünft haben wir seitdem viel diskutiert, geschrieben, verworfen, neu gemacht. Jetzt sind sie da, die Guides WOL:Healthcare!
Jetzt haben wir WOL schon so selbstverständlich eingeführt. Könnt ihr uns kurz erklären, was WOL überhaupt ist?
Working Out Loud (WOL) ist eine Methode und eine Denkweise, die es ermöglicht,
- vernetzte und digitale Zusammenarbeit in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt zu erlernen.
- Beziehungen zu gestalten und systematisch nachhaltige Netzwerke aufzubauen
- unsere Arbeit sichtbar zu machen
Daraus ergibt sich, dass wir Fähigkeiten und eine Denkweise entwickeln, die uns bei den sich schnell verändernden Herausforderungen unterstützen. Darüber hinaus hilft es bei der persönlichen Weiterentwicklung.
In dem bisher etablierten Format treffen sich 4-5 Personen ein Mal pro Woche für eine Stunde für 12 Wochen am Stück, um sich gemeinsam dabei zu unterstützen, an einem Ziel zu arbeiten. Jede Person hat ein eigenes Ziel. Für jede Woche gibt es einen Leitfaden, den sogenannten Circel Guide, der die Gruppe mit Aufgaben und Reflexionsfragen unterstützt.
Wie habt ihr zu einander gefunden? Was ist die Grundlage eures gemeinsamen Engagements?
Wir sind alle begeisterte WOL-Fans. Da wir alle in den sozialen Medien gut vernetzt sind und Working Out Loud praktizieren, also unsere Arbeit im Netzwerk sichtbar machen, haben wir uns als Team gefunden. Unser Wunsch ist es die Ziele von WOL Verbundenheit, Vertrauen und Sichtbarkeit in diese Branche zu bringen. Wir hoffen, die dort arbeitenden Menschen für vernetztes Arbeiten und gemeinsames Lernen begeistern zu können. Denn wir sind davon überzeugt, dass unsere gewohnte Arbeitsweise nicht ausreicht für die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Gemeinsam müssen wir flexibel, innovativ und effizient sein, ohne den ohnehin schon erlebten psychischen und körperlichen Stress in gesundheits- und Sozialberufen zu verstärken. WOL:Healthcare soll dabei unterstützen, diesen Herausforderungen zu begegnen.
Katharina, warum braucht WOL spezielle Anpassungen für Mitarbeitende im Gesundheits- und Sozialwesen? Welche Besonderheiten der Branche berücksichtigt ihr? Warum ist das Konzept so wertvoll für diesen Bereich?
Unsere Beobachtung ist, dass Menschen in dieser Branche häufig sehr stark eingebunden sind. Sie arbeiten im Schichtdienst und müssen aufgrund der engen Personaldecke Überstunden machen. Wir erleben es so, dass diese Menschen alle unglaublich viel Einsatz zeigen und sehr hohe Motivation und Engagement für ihren Beruf mitbringen, dabei aber häufig selber zu kurz kommen. Das kann sogar dazu führen, dass sie sich wie in einem Hamsterrad fühlen und das Gefühl haben, ausgeliefert zu sein und an ihrem Arbeitsalltag keine Veränderungen vornehmen zu können. Unser Anliegen ist es, mit dem speziell angepassten Programm, eine Möglichkeit anzubieten, sich trotz der hohen Taktung im Beruf, Zeit für sich und seine persönliche und/oder berufliche Entwicklung nehmen. Durch das Sichtbarmachen der Arbeit erhoffen wir uns mehr gegenseitige Wertschätzung und noch wichtiger eine höhere Selbstwirksamkeit für die handelnden Personen. Ein gutes Netzwerk, welches man sich mit WOL aufbauen kann, ist außerdem auch sehr hilfreich für fachlichen Austausch und zum Aufbau einer persönlichen Reputation.
Martina, was gefällt dir an WOL:Healtcare besonders gut? Worauf können sich die Teilnehmenden freuen?
Mit meinem Spitznamen „NetzwerkArchitektin“ weise ich eigentlich schon darauf hin: ich freue mich darauf, die Chancen und Möglichkeiten, die ein Netzwerk mit sich bringen kann, ins Gesundheitswesen zu tragen. Auch die innere Haltung #SharingIsCaring, also das Teilen von Wissen und das Erkennen der Kompetenzen untereinander, unabhängig der Professionalität und das Bewusstsein dafür, wird ein Gewinn sein.
Vernetzung auch über die Grenzen der eigenen Organisation hinaus, ruft bei einigen die Angst hervor, die Mitarbeitenden an Wettbewerber zu verlieren. Was antwortet Ihr auf diese Bedenken?
Der Fokus von Working Out Loud Healthcare liegt nicht so stark auf der externen Vernetzung wie man es von dem bisherigen Programm gewohnt ist. Unser Fokus liegt auf Selbstfürsorge, Kommunikation und persönliche Entwicklung. Aber natürlich spielt die Vernetzung auch eine Rolle, da es ein wesentlicher Bestandteil von WOL ist. Wir glauben nicht, dass WOL der Grund sein wird, seinen Arbeitgeber zu verlassen, sondern eher, dass Organisationen, die WOL fördern, sich zu modernen und sehr attraktiven Arbeitgebern entwickeln können und somit ein Instrument haben, Mitarbeitende zu binden.
Das ist ein sehr guter Punkt, den ich gern noch weiter vertiefen würden. Denn mit meinem Blog und mit meiner Arbeit begleite ich ja Organisationen, ihre eigene Identität und Attraktivität als Arbeitgeber zu finden und sichtbarer zu machen, um Mitarbeitende zu finden und zu binden. Wie kann WOL dieses Vorhaben unterstützen?
Neben der Sorge, dass Mitarbeitende durch die Vernetzung zum Wettbewerber gehen, wird auch immer wieder diskutiert, ob die Organisation ein Ziel vorgeben soll. Wir plädieren hier eindeutig dagegen. Dieses Vertrauen, welches die Organisation den Mitarbeitenden entgegenbringt, wird von den meisten honoriert und belohnt. Denn die Mitarbeitenden arbeiten intrinsisch motiviert an einem Ziel, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun hat. Des Weiteren üben sie sich im Aufbau und in der Pflege wertvoller Beziehungen zu den Kolleg*innen. So arbeiten sie auch in der Organisation stärker vernetzt und berufsübergreifend zusammen. Was kann sich eine Organisation mehr wünschen? Und zu guter Letzt, wenn das Vertrauen da ist, werden sie das alles sichtbar nach außen machen und so für ein gutes Employer Branding sorgen und die Organisation unterstützen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu etablieren.
Constanze, Du hast die Blogparade “Kulturwandel im Gesundheitswesen” ins Leben gerufen. Siehst Du Parallelen zu WOL?
Die Blogparade hat gezeigt, was entstehen kann, wenn Menschen offen und hierarchiefrei zusammenkommen: Aus vielschichtigen inhaltlichen Perspektiven entsteht ein großes Ganzes und ein Netzwerk wertvoller, menschlicher Verbindungen. Genau dies fördert WOL in einer Organisation. Ich beobachte eine zunehmend aufgeschlossenere Haltung gegenüber neuen, partizipativen Methoden und beziehungsfördernden Formaten – und bin davon überzeugt: angesichts der kommenden Herausforderungen kann dies unserer Branche nur guttun.
Wenn meine Leser*innen nun Lust haben, selbst Teil der WOL-Community zu werden, was sind Eure Empfehlungen für nächste Schritte? Wie können sie euch erreichen?
Eine Möglichkeit wäre, an unserem Info Workshop teilnehmen, um mehr über Working Out Healthcare zu erfahren. Hier geht es zur Anmeldung. Die Workshops finden jeweils am 06.10. und am 12.10.2020. Um 18:00 statt. Wer sich erstmal in Ruhe allgemein einlesen möchte, kann dies auf der Seite www.workingoutloud.com tun, sich das Buch von John Stepper bestellen oder eine der folgenden Websites besuchen:
Auf Facebook und LinkedIn gibt es sonst auch sehr aktive Communities. Dort kann man direkt mit anderen Wolies, in Kontakt kommen.
Ihr Lieben, vielen herzlichen Dank für Euer Engagement und diesen spannenden Einblick in Eure Initiative WOL:Healthcare. Für den Start wünsche ich euch alles Gute und viel Erfolg! Ich werde eure Arbeit mit großem Interesse weiter verfolgen und ganz im WOL-Sinne teilen und sichtbar machen – auch gern ohne Einhorn-Glitzerschweif ;-).