Meine Workshops und Trainings leben vom persönlichen Miteinander, der Interaktion und dem Austausch der Teilnehmenden. Doch statt Post-its und Flipcharts im Seminarhotel spiele ich aktuell mit Malbuch und Buntstiften am Küchentisch bzw. Balkontisch mit meinen Kindern. Bis zur Sommerpause sind sämtliche Präsenzveranstaltungen abgesagt oder verschoben. Glücklicherweise bin ich auch zertifizierte E-Learning Trainerin, u.a. für Webinare an der Quadriga Hochschule, wo das Geschäft besser denn je weiterläuft. Und auch in der Zusammenarbeit mit meinen Kunden habe ich mich frühzeitig für eine digitale Lösungen eingesetzt – eigentlich aus Gründen der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Frage, wie ich meine Arbeit durch digitale Tools weiter professionalisieren kann, führte mich im vergangenen Jahr zu Thomas Krecker von TFK Consulting. Thomas ist Experte für digitale Moderation mit der Software Groupmap, und war schon lange vor Corona großer Fürsprecher für die geschickte Kombination von digitalen und analogen Methoden. Aber lest selbst, was Thomas mir erzählt hat:
Lieber Thomas, bitte stell Dich meinen LeserInnen doch kurz vor:
57, Verheiratet, 2 Kinder, seit über 30 Jahren in der Live Kommunikation mit dem Schwerpunkt Mitarbeiterkommunikation. Darunter als Inhaber einer großen Eventagentur und Leiter Events bei der Agentur Scholz & Friends. Aktuell Moderator, Coach und freier Scrum Master .
Du beschäftigst dich mit Digital Facilitation. Was ist das und wie hat sich deine Expertise hierzu entwickelt?
Na, erst einmal ist es natürlich ein Buzzword 😊. Man könnte auch einfach “Workshop“ sagen, wobei Facilitation für mich schon mehr ist als eine Workshop-Moderation, nämlich das Befähigen der Teilnehmer, Themen selbst zu identifizieren und zu lösen. Digital war an dem Format zunächst nur, dass ich vor Ort in Präsenz-Workshops Tablet und Beamer statt Karten und Pinnwand eingesetzt habe. Die Effekte waren ganz erstaunlich. Jetzt in der Coronakrise baue ich auf diesen Erfahrungen auf und ergänze sie mit den Besonderheiten der Online-Moderation.
Was die Expertise angeht: Ich habe als Veranstaltungstechniker begonnen und eine Affinität zu technischen Lösungen. Ich habe unzählige Meetings und Konferenzen organisiert und viele als dysfunktional erlebt. Gruppendenken, Hierarchien, „Hidden Agendas“ etc. Ich habe mir früh ein Tool gewünscht, dass diese Prozesse optimieren und Störfaktoren minimieren kann, und schon in den 1990ern mit ersten Voting Systemen gearbeitet.
Was sind die Vorteile dieser Methode?
Die Anonymität, die das System herstellen kann, ist ein wesentlicher Vorteil. Aber auch das Aussteuern von individueller Arbeit auf dem eigenen Rechner und kollaborativer Arbeit, bei dem alle Ergebnisse für alle sofort sichtbar sind. Die Geschwindigkeit der Methode, gerade bei Bewertungen, ist enorm, sodass man viel häufiger veranlasst ist, einmal kurz über etwas abstimmen zu lassen. Dazu kommen Formen- und Methodenvielfalt. Ich kann jederzeit per Klick eine Methode neu einführen oder anpassen. Die Ergebnisse liegen digital vor und lassen sich sofort in Pläne und Aktionen transferieren. Die Teams nehmen so den Schwung des Workshops mit und müssen nicht warten, bis z.B. HR die Auswertung fertig hat.
Aktuell ist der größte Vorteil natürlich, dass das gesamte Workshop-Instrumentarium der Software für Online-Workshops zur Verfügung steht. Die Umstellung geplanter Präsenzveranstaltungen auf ein Online-Format beschränkt sich jetzt ausschließlich auf die technische Befähigung der Teilnehmer im Home-Office. Mit etwas Geduld und einer guten Onboarding-Phase vor dem Workshop geht das sehr gut. Ich erlebe derzeit viele verwunderte Teilnehmer, die ungläubig vor der Menge und Qualität der Ergebnisse stehen. Sie dachten das Online-Format wäre eine Notlösung. Mit Groupmap arbeitet man tatsächlich effizienter als mit klassischen Methoden.
Was sind typische Anwendungsfelder?
Noch vor Wochen hätte ich gesagt: Change Prozesse, weil diese immer auch mit Druck, Unsicherheit und Friktionen verbunden sind. Gerade für den Clash von agilen und tradierten Strukturen ist das Tool prädestiniert. Durch die Gleichberechtigung aller Beiträge und das schnelle und häufige Abfragen von Team-Meinungen lassen sich agile Mindsets gut einüben. Teams, die diesen Mindset bereits mitbringen, benötigen zwar die Anonymität nicht, schätzen aber die Geschwindigkeit. Und aktuell setze ich das Tool natürlich für alle Arten von Online-Workshops ein.
Ich begleite Kunden in Employer Branding Prozessen. Warum eignet sich das Tool hier besonders gut?
Ich habe verstanden, dass Du Employer Branding nicht nur als Branding im Sinne von Marketingaktivitäten begreifst, sondern ganzheitlich betrachtest. Wenn etwas das ganze Unternehmen betrifft, sind Friktionen in der Kultur und kritische Diskussionen unvermeidlich. Die Anonymität, die das Tool bietet, sowie die Möglichkeit, häufig und schnell abzustimmen und zu sortieren, sind da besonders hilfreich. Bei deinen Kunden im Speziellen kommt die Ressourcenknappheit hinzu. Für ausgedehnte Workshops ist in der Pflege- und Sozialwirtschaft keine Zeit. Wenn in wenigen Stunden ein sinnvolles, akzeptiertes und dokumentiertes Ergebnis vorliegt, ist das hilfreich. Diese Effizienz schafft das Tool.
Mal angenommen, du bist mein Kunde. Wie würden wir einen Workshop zur EVP-Entwicklung aufsetzen und gestalten?
Der strategische Ansatz ändert sich nicht, aber ich habe andere Möglichkeiten. Das bedeutet, ich schaue auf das Unternehmen: Strukturen? Vorhandene Werte und Assets? Was wird gelebt? Was nur behauptet? Zum Beispiel kann eine Mitarbeiterbefragung leicht integriert werden, indem die Auswertung als Chart im Workshop vorliegt.
Für eine hierarchiefreie und ehrliche Diskussion über die vorgenannten Fragen ist zudem die Teilnehmerauswahl entscheidend, damit Ergebnisse im ganzen Unternehmen Akzeptanz finden. Am Ende lautet die Frage ja nicht nur: „Was können wir hier oder da bieten?“ sondern „welche Werte kann das Unternehmen ganzheitlich und stringent – also in jedem Bereich – umsetzen. Und, was bedeuten diese Werte in der Zusammenarbeit und in der Führung konkret?“ Diese Herangehensweise ist komplex und lässt sich nicht mit einem Workshop beantworten, aber die Mühen sind es wert. Wenn neue Mitarbeiter mit falschen Vorstellung anfangen und schnell wieder kündigen, wird sinnlos Geld verbrannt.. Aber wem sag ich das… 😊
Wo liegen mögliche Grenzen von Digital Faciliation? Bzw. welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Methode erfolgreich ist?
Grundsätzlich gilt bei Workshops, egal ob Online oder Präsenz, dass das Denken angeregt werden soll, z.B. durch Bewegung, menschliche Interaktion, Überraschung, Inspiration, Raum, Design, etc. Das anschließende Erfassen der Ideen, das Priorisieren und Strukturieren ist lediglich das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Im Miteinander eines Präsenzworkshops liegen viele Möglichkeiten der Interaktion, aber auch online haben wir tolle Methoden, um insbesondere das Fehlen persönlicher Begegnung, das Spüren der Präsenz der anderen, auszugleichen. In jedem Fall muss auch der Online-Workshop weit über den Rechner hinaus konzipiert werden.
Wo können meine LeserInnen mehr erfahren?
Fachliteratur ist noch rar, die beste Quelle ist natürlich derzeit das Netz. Wer einen Online-Workshop mal live erleben will, kann an meinem virtuellen Barcamp teilnehmen, das ich jeden Montag um 18:00 Uhr auf der Plattform XING veranstalte.
Danke, lieber Thomas, für die wertvollen Tipps und den Einblick in Groupmap und die digitale Moderation. Ich bin begeistert von den Möglichkeiten – nicht zuletzt durch meine Teilnahme an deinem virtuellen Barcamp, und werde meine Reise in die Digitalisierung weiter fortsetzen. Wer Lust hat, mich zu begleiten, kann mich einfach ansprechen. Thomas und ich sind in der Lage auch kurzfristig digitale Workshops zur Entwicklung und Optimierung von Employer Branding Prozessen anzubieten ;-).